Mein Kind wird mitteilsam. Und das ist etwas Gutes. Meistens. Doch
manchmal wünsche ich mir den alten Wirbelwind zurück, der nicht
konterte, argumentierte und austrickste. Sondern den Wirbelwind, der
froh war mich zu haben, der mich bedingungslos liebte. Klar bin ich stolz auf ihre neue Selbstständigkeit, die kleine Persönlichkeit, die vor mir
steht und
genau weiß, was sie (zumindest gerade) will. Aber ich fühle mich
manchmal auch etwas überflüssig. Und es war so viel einfacher auf die Bedürfnisse des Kindes einzugehen, als sie sich noch nicht jede Sekunde geändert haben!
Damals und Heute
Hier einmal ein Beispiel für die Veränderung von "Bedingungslose Liebe" zu (ich nenne es mal) "Soziale Spielchen":
Früher:
Als Wirbelwind frisch im Kindergarten war, spielte sie zwar dort sehr
gerne, freute sich aber auch sehr mich zu sehen, wenn ich sie nachmittags wieder abholte. Sobald ich zur Tür
hineinkam und sie mich entdeckte, rannte sie los, egal, wo sie gerade
war. Begleitet von einem lauten "Aaaaahhhhh" und Armewedeln sprang sie
vom Turm, hüpfte über herumliegende Bauklötze, umkurvte geschickt den
Puppenwagen, um schließlich überglücklich in meinen Armen zu landen.
Heute: Inzwischen gibt es mehrere Alternativen, wenn wir sie abholen.
1.
Kind sieht mich kommen und spielt unbeirrt im Sandkasten weiter. Nach
15 Minuten Beine-in-den-Bauch-stehen kommt sie dann doch mal angetrabt,
um ein kurzes "Hallo" loszuwerden.
2. Kind sieht mich, rennt
sofort zu einem Erzieher und brüllt ihm ins Gesicht: "Meine Mama ist da!
Meine Mama ist da!! Meine Mama ist daaaa!!!"
3. Kind sieht
mich und rennt zum Klettergerüst, damit sie mir zeigen kann, wie toll
sie inzwischen die Strickleiter hinaufklettern kann.
4. Ich
sehe das Kind nicht, weil sie in irgendeiner Ecke hockt oder
hinter dem Gartenhäuschen die Bank mit Kreide bemalt ... Wenn ich sie
nach langem Suchen endlich gefunden habe (warum ist der Hof des
Kindergartens auch so verdammt groß), verhält es sich wie bei Punkt 1.
Und die Entwicklung zum eigenständig denkenden Knirps ist auch der Grund, weshalb ich inzwischen erst 9:30 Uhr auf Arbeit ankomme, statt der geplanten 9 Uhr.
Früher habe ich Wirbelwind morgens angezogen, etwas zu Essen gegeben, die Schuhe
übergestülpt, zum Auto gebracht und in den Kindergarten gefahren. Dort
wurde sie von mir ausgezogen, Hausschuhe wurden angezogen und fertig.
Bilanz: 45 Minuten vom Aufstehen zum Kindergarten.
Heute diskutiert sie.
Sie diskutiert, was sie früh Essen möchte (Marmelade, Butter, Creme).
Sie diskutiert, was sie
trinken will ("nich Appelsaft!").
Sie diskutiert über die Farbe der
Socken ("nein, die nich").
Sie diskutiert darüber, wie die Schuhe anzuziehen sind ("selber machen" vs. "Mama helfen", seit Neuestem IMMER mit Schuhanzieher).
Sie diskutiert über die Treppen-Runterlauf-Technik (Hüpfen und Zählen, und wehe die Mama läuft ganz normal die Treppe hinunter).
Sie diskutiert über die Art den Kindergarten zu betreten (es gibt zwei
Türen, eine geht über den Keller und ist ein deutlicher Umweg. Und nun ratet mal, welche Tür sie bevorzugt...).
Sie diskutiert über die Treppenhochlauftechnik (auch hier: Zählen und eine Stufe überspringen).
Sie diskutiert
darüber, ob ich oder sie die Schuhe ausziehen und die Hausschuhe
anziehen darf.
Sie diskutiert, auf welches Klo sie gehen will und ob ich
ihren Po mit Klopapier abwischen darf.
Bilanz: 90 Minuten vom Aufstehen zum Kindergarten.