Das
Thema schwirrt bei mir im Kopf herum, seitdem ich auf die Kommentare
bei Herzmutter-Janinas Zeit-Leserartikel
gestoßen bin. Dort schrieb eine Frau sinngemäß, es sei das Beste seine Kinder
die ersten drei Jahre zu Hause zu lassen und nicht in den Kindergarten zu
geben. Denn das täte den Kindern nicht gut. Immer wieder hört mal solche Stimmen, selbst aus obersten Rängen.
Aber ist
das so? Sind Kindergärten wirklich so furchtbar? Seltsam, dass die Kinder, die
ich in die Kindergärten sehe, gar nicht losschluchzen, wenn sie die Tür
betreten, nein mehr noch, sie lächeln sogar. Kann es sein, dass
sie vielleicht gerne in den Kindergarten gehen, dass Kindergärten (oder auch Tagesmütter) doch nicht so schlimm sind, wie manche
behaupten?
Die Wissenschaftliche Sicht
Eines
steht fest: der hohe Lärmpegel und die zahlreichen Kontakte zu Kindern und
Erziehern beanspruchen die Kleinen sehr. Dies zeigt sich in einem erhöhten
Stresshormonwert, jedoch noch im Bereich der normalen Varianz.
Doch
was bedeutet das für das Kind konkret? Wie wirkt sich die Fremdbetreuung auf die
Entwicklung des Kindes aus, und wie auf die Eltern-Kind-Beziehung?
Aufschluss
dazu gibt die amerikanische NICHD-Studie, die seit 1991 eine Langzeiterhebung
durchführt. Darin wurde deutlich, dass die Eltern-Kind-Beziehung unter der
frühen Trennung nicht leidet. Kleinkinder können also Trennungsphasen schon gut
verkraften.
Der Umfang der Fremdbetreuung wirkte sich zudem nicht bzw. teilweise sogar
positiv auf die kognitive und sprachliche Entwicklung sowie die
Gedächtnisleistung aus. Nur bei einer geringen Qualität der Fremdbetreuung war
dieser Effekt negativ. Doch auch hier besitzen Familienfaktoren wie z.B. die
mütterliche Sensibilität, die Qualität des familialen Umfeldes und das
Familieneinkommen eine größeren Einfluss auf die Entwicklung des Kindes.
In der NICHD-Studie wurde ferner festgestellt, dass Kinder, die früh fremdbetreut
wurden, mit vier Jahren von ihren Erziehern als weniger fügsam beschrieben
wurden und mit zwölf Jahren sogar mehr aggressive Verhaltensauffälligkeiten
zeigten. Die Unterschiede fallen jedoch sehr schwach aus.
Auf
der anderen Seite wirken sich, so die Meinung verschiedener Experten, die frühe
und langjährige Fremdbetreuung positiv auf die Bildung der Kinder aus. Sie haben in der Regel einen höheren Schulabschluss und in der Folge ein höheres Einkommen (vgl. 1).
Wirbelwinds Sicht
Doch
genug dem wissenschaftlichen Geplänkel. Nun folgt Wirbelwinds Sichtweise. So
richtig Negatives kann ich dem Kindergarten aus ihrer Sicht nicht entlocken,
außer dass ich als Mutter keine Kontrolle darüber habe, was die Erzieher ihr
beibringen, welche erzieherischen Maßnahmen sie anwenden und was sie ihr
ungefragt zu Essen geben. Das ist als Kontrollfreak, wie ich es bin, schon
schwierig. Doch dann sehe ich, wie schön sich Wirbelwind auf das Abenteuer Kita
einlässt, wie sie aufblüht, Neues lernt, sich weiterentwickelt in ihrer
Persönlichkeit.
Darum
folgt hier einmal eine Auflistung der Dinge, die aus Wirbelwinds Sicht für den
Kindergarten sprechen:
- Sie lernt Disziplin, Ordnung, Regeln besser im Kreis von anderen Kindern und
"fremden" Erwachsenen, als zu Hause. Denn die Erzieher sind eher eine
Autoritätsperson, als die Eltern (zumindest ist es bei uns so. Sie weiß
einfach, dass ich sie zu lieb habe, als dass ich ihr einen Wunsch abschlagen
könnte - außer ich habe wirklich gute Argumente). Und wenn die anderen Kinder
ebenfalls so brav gehorchen, macht sie es auch viel lieber nach bzw. sieht es
eher ein. So hat sie gelernt, dass der Ellenbogen nicht auf den Tisch gehört (da wurde
ich von ihr bereits drauf hingewiesen).
- Sie würde keine so lustigen Sachen machen, wie nach dem Toilettengang den Kopf
auf den Boden halten und ihren nackten Po in die Höhe strecken, damit ich ihn abwischen
kann.
- Sie würde nicht wissen, was es heißt zu teilen - naja, sie ist noch in der
Lernphase ;-)
- Wir hätten kein Geld, um ihr Windeln, Anziehsachen, geschweige denn Spielzeug
zu kaufen, denn dann könnte ich ja nicht arbeiten gehen. Der Papa macht derzeit
Schule und legt sogar drauf. Wir sind also - wie viele von uns - darauf
angewiesen.
- Sie geht WIRKLICH gerne in den Kindergarten. Warum sollte ich ihr das verweigern?
Wenn ich ihr Montag früh verkünde, dass heute wieder Kindergarten ist, dann macht
sie Luftsprünge und ruft ganz laut "Jaaaaaa!!!!"
- Sie schleppt eine Erkältung nach der nächsten an. Das ist zwar zunächst nichts
Gutes, aber immerhin stärkt sie auf diese Weise ihre Abwehrkräfte, „Für die
Kinder und ihr Immungedächtnis sei es wichtig, dass sie diese Krankheiten
durchmachen.“, heißt es in einem Spiegel-Artikel.
Was denn nun: Kita ja oder nein?
Ob
ein Kind unter drei Jahren in den Kindergarten gehört oder nicht, ist in erster
Linie die Entscheidung der Eltern, abhängig von ihrer finanziellen Lage, ihrem
beruflichen Stand, ihrem kulturellen Hintergrund, der Unterstützung der Familie, der weiteren Familienplanung, dem
gesellschaftlichen Umfeld und noch vielen anderen Dingen mehr. Jedes Kind ist
zudem verschieden und reagiert somit anders auf mögliche Stressoren im
Kindergarten. Eine Verallgemeinerung sollte daher von Vornherein ausgeschlossen
werden. Aus Sicht von großangelegten Studien ist die Wirkung von Fremdbetreuung
auf spätere mögliche Verhaltensstörungen zwiespältig. Einer möglicherweise extrovertierteren Verhaltensweise stehen entwicklungsförderliche Effekte entgegen.
Auch
hier plädiere ich an das Bauchgefühl der Mütter. Sie werden erkennen, ob sich ihr
Kind im Kindergarten wohlfühlt, ob es lachend oder doch verstört den Raum betritt
und verlässt, ob und wie es sich in seinem Verhalten verändert. Und ich bin mir
sicher: eine Mutter würde sofort reagieren, wenn es in ihr Bauchschmerzen
bereitet ihr Kind in die Fremdbetreuung abzugeben. Denn wir wollen doch nur das
Beste.
Wichtig ist, dass wir die verbleibende Zeit zusammen mit unserem Kind genießen und umso intensiver auf den Nachwuchs eingehen, Nähe und Verständnis zeigen. Denn dann bleibt die Bindung erhalten, das Kind fühlt sich geliebt und verstanden.
1) Quellen zur Wissenschaftlichen Sicht: Tagesspiegel, Kindergartenpädagogik, Zeit, Abendblatt (über die Google-Funktion nochmal suchen, dann ist er lesbar)
Labels: Diskussionen, Kleinkind-Alltag