Chronologie der Farben



Hier folgt mal wieder ein kleiner Ausflug in meine verworrene Gedankenwelt. Grund ist der, dass ich heute Wirbelwind statt mit dem Auto mit dem Kinderwagen zur Kita kutschiert habe. Und so hatte ich volle 20 Minuten Zeit beim Spazierengehen vor mich hinzudenken. Gefährlich! Denn dann kommt so etwas heraus. Denn mir ist auf dem Weg ein älterer Herr in beigem Dress begegnet. Er war die Initialzündung für diesen Beitrag…
Und so stelle ich nun die These auf, es gibt eine Chronologie der Farben. In jedem Lebensabschnitt sind bestimmte Farben dominant, andere verlieren an Bedeutung. Und das hat sich irgendwie in unserer Gesellschaft etabliert, ist nicht nur individuelle Geschmackssache, sondern auf gesellschaftlicher Ebene anerkannt und wird teilweise sogar gefordert, Stichwort altesgerecht Kleiden. Hier ein Versuch der Typologisierung:
0 bis 6 Monate: Weiß
Diese unschuldigen, so leicht verletzbaren Wesen. Was anderes könnte man Ihnen denn anziehen, als einen weißen Body, elfenbeinfarbene Strampler mit süßen Teddymotiven, ein weißes Mützchen und zuckersüße winzig weiße Söckchen. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir mit Weiß nicht nur die Unschuld verbinden, sondern auch Reinheit. Die Kleidung hat wenig bis keine Farbstoffe und ist für Babys verträglicher.
6 bis 12 Monate: rosa und hellblau
Gut, diese Farben findet man auch bereits bei Neugeborenen, aber jetzt mit zunehmendem Alter sind sie deutlich häufiger bei Babys zu finden. Die Bäckchen werden voller, das Gesicht ausdrucksstärker, es wächst eine richtige Persönlichkeit heran. Es ist nicht mehr ein ES, sondern eine SIE oder ein ER. Es hat ein Geschlecht, das jetzt nach Außen getragen werden soll. Also muss farbige Kleidung her.
Ich muss zugeben, wir haben Wirbelwind in dieser Zeit häufig noch neutrale Sachen angezogen. Wir haben uns gegen das Geschlechterklischee immer gewehrt. Aber es änderte sich dann mit einem Jahr…
1 bis 3 Jahre: Pink, Lila und Blau
Jetzt werden die Farben kräftiger. Die Kinder werden mobiler, fangen an zu laufen. Die Spielplatz-Zeit beginnt. Und so ist es nur zielführend den Kindern nicht allzu helle Klamotten anzuziehen. Viele Kinder haben noch kurze Haare, die Geschlechtertrennung zeigt sich erst durch den Namen oder eben die Kleidung. Und so ziehen viele ihre Kinder weiterhin nach Farbschema rosa für Mädchen und blau für Jungs an.
Und nun sind wir auch in dieses Schema getappt. Es war irgendwie Notwehr. Denn durch die neutrale Bekleidung hatte alle unseren Wirbelwind mit ER angesprochen. Wenn dann irgendwann herauskam, dass ER eine SIE ist, schien es den Beteiligten peinlich zu sein, dass sie sie falsch betitelt hatten. Ja, da ist unsere Gesellschaft erbarmungslos. Wir fühlen uns direkt hilflos, wenn wir einer Person kein Geschlecht zuordnen können. Also bekam sie zunächst eine pinke Mütze aufgesetzt. Aber auch da wurde sie noch mit ER angesprochen. Die blaue Jacke war wohl dominanter. Es kamen lila Schuhe dazu und ab und an folgten eine pinke Hose oder eine lila Jacke. Abgesehen von einigem vierjährigen Jungen, der sie auch in pinker Montur noch mit „Junge“ ansprach, hatte die Verkleidung Erfolg: ein Mädchen ward geboren!
3 bis 11 Jahre: Bunt
Die Kinder bekommen einen eigenen Kopf und wollen in der Kleiderwahl mitbestimmen. Und das sieht man auch. Jetzt ist alles erlaubt. Es gibt keine Regelmäßigkeiten, keine Grenzen der Farbkombination. Das, was die Kinder aus dem Kleiderschrank zaubern wird getragen. Einige Mädchen wollen wie ihre Puppen aussehen und fangen an rosa Strumpfhosen und Tütü-Röckchen anzuziehen. Jungs bevorzugen coole T-Shirts mit Autos oder Flugzeugen, gerne in blau-rot-Kombination.
Natürlich gibt es auch solche Kinder, denen die Kleiderwahl egal ist bzw. bei denen die Eltern bestimmten. So sind auch Mädchen in Jeans und T-Shirt sowie Jungs mit Teddy-Shirts zu finden. Wie gesagt: ein bunter Blumenstrauß.
12 bis 18 Jahre: Bling Bling
Oh die Pubertät steht vor der Tür. Jetzt wird es farblich etwas dezenter, schließlich möchte man cool und in den Folgejahren auch sexy sein. Die Kleidung wird enger, man findet weniger Rosa bei den Mädchen und weniger Motivprints bei den Jungs. Etwas „Bling Bling“ darf dazukommen, in Form von Uhren, Halsketten, Ohrringen und Schminke. 
19 bis 25 Jahre: Blau, Schwarz, Grau
Die Schule ist fertig, man beginnt eine Ausbildung, studiert und wird erwachsener. Die Farben verschwinden. Aber die Kleidung ist oftmals noch sehr sportlich, als wolle der Träger seiner Jugend hinterherrennen. Eingekleidet in blauer Jeans, braunen Stiefeln bzw. Halbschuhen, einem grauen Shirt und einer schwarzen Jacke kann man da nichts verkehrt machen.
26 bis 40 Jahre: Schwarz
Ausbildung und Studium sind vorbei. Jetzt wird sich für den Job angezogen. Und das muss seriös sein. Schwarz dominiert. Nach dem ersten (und zweiten, dritten…) Kind hat diese Farbe den Vorteil, dass sie kleine Fettpölsterchen verdeckt.
40 bis 65 Jahre: Herbstfarben
Das Geld sitzt lockerer. Man ist gesetzter und entwickelt einen eigenen gehobenen Stil. Herbstfarben dominieren, man nähert sich ja auch dem Herbst des Lebens, will aber noch etwas Farbfrische einbringen. Die Kleidung wird also wieder farbiger, man entwickelt mehr Mut auch mal Akzente zu setzen.
ab 66 Jahre: Beige
Mit dem Einstieg in das Rentenalter wird man oft ruhiger, muss sich nicht mehr für die Arbeit anziehen, sitzt gemütlich im Sessel herum und liest ein Buch (Klischee, ich weiß). Klar, da muss die Kleidung auch bequem sein. Also werden Jeans oder schwarze Anzughosen in beige Stoffhosen getauscht. Aber warum beige? Damit man morgens nicht lange über die Farbwahl nachdenken muss? Fragen wie „Passt dieses Grün zu diesem Blau? Passt dieses Rot zu diesem Orange?“ entfallen. Man greift einfach in den Schrank und nichts sticht sich. Es ist ja alles eine Farbe. Wie praktisch!


Und, habt Ihr einige Bekannte und Verwandte in den Beschreibungen wiedergefunden? Oder habt ihr ganz andere Erfahrungen gemacht? Natürlich soll das Ganze auch mit einem Augenzwinkern betrachtet werden. Ich selber weiß, dass die Welt nicht nur (Achtung Wortspiel) Schwarz-Weiß ist und sich Menschen nicht immer „altersgerecht“ kleiden. Eine Freundin von mir hatte sich beispielsweise bis zu ihrem 30. Geburtstag gerne pink gekleidet. Nun ist sie der Meinung, sie sollte ihren eigentlichen Herbsttyp mehr betonen und trägt nun grün und braun. Soviel dazu. Also lasst es Euch gut gehen und tragt was ihr wollt. Aber lasst es mich wissen ;-)

Labels: